Das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz hat einen Referentenentwurf entwickelt und veröffentlicht, der sich mit der Reform des Insolvenzrechts befasst.

In den vergangenen Jahren wurde von der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO vermehrt Gebrauch gemacht, was zu Unruhen und Unsicherheiten in der Wirtschaft geführt hat. Durch die Insolvenzanfechtung konnten vorinsolvenzliche Abflüsse der letzten zehn Jahre zurückgefordert werden, sodass abgeschlossene Verträge zwangsweise rückabgewickelt werden mussten. Dies stellt viele Unternehmen vor finanzielle Schwierigkeiten, ganz abgesehen von der Unsicherheit, welche Forderungen anfechtbar sind und welche nicht.

Der Referentenentwurf zeigt drei wesentliche Probleme des Insolvenzrechts auf. Zum Ersten wird der Vorsatzanfechtung eine überbordende Komplexität attestiert. Dazu kamen geringe Anforderungen der Rechtsprechung an den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, sodass übliche Vereinbarungen der Stundung oder Ratenzahlung das Risiko einer Anfechtung begründeten. Zum Zweiten herrschte unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Unsicherheit, wann die Insolvenzverwalter das bereits bezahlte Arbeitsentgelt zurückfordern konnten. Zum Dritten konnten vollstreckende Gläubiger der Anfechtung ausgesetzt sein, auch wenn sie über keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verfügte.

Diesen Problemen versucht der Referentenentwurf zu begegnen, indem er einige gesetzliche Klarstellungen vornimmt, sodass die praktische Handhabung des Insolvenzrechts erleichtert wird. Ziel ist es, Rechtsunsicherheiten abzubauen und übermäßige Belastungen des Rechtsverkehrs zu vermeiden. Zudem soll ein angemessener Ausgleich zwischen den Parteien erreicht werden.

Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO bleibt die Grundstruktur der Norm erhalten. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird weiterhin vorausgesetzt. Neu ist, dass die Norm zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungshandlungen sowie sonstigen Rechtshandlungen differenziert.

In Abs. 1 Satz 1 soll künftig geregelt werden, dass sich der Vorsatz des Schuldners auf eine „unangemessene“ Benachteiligung des Gläubigers beziehen muss. Dem Merkmal soll bei kongruenten Deckungen eine begrenzende Funktion zukommen. Außerdem bietet es dem entscheidenden Richter einen Entscheidungsspielraum. Das Merkmal soll dann erfüllt sein, wenn die Rechtshandlung die Befriedigungsaussichten des Gläubigers derart beeinträchtigt, dass es sich mit dem Zweck des Insolvenzrechts nicht vereinbaren lässt. Die Auswirkungen des Merkmals werden sich, laut dem Referentenentwurf, in Grenzen halten. Die typischen Fälle, wie Bankrotthandlungen oder Vermögensverschiebungen sind weiterhin klar von dem Merkmal erfasst.

Das Merkmal der Unangemessenheit ist im Rahmen der inkongruenten Deckung dann erfüllt, wenn die Deckung in einem Moment erfolgt, indem sich die Insolvenz des Schuldners, also die drohende Zahlungsunfähigkeit, bereits angekündigt hat. Gleichzeitig muss der Schuldner dadurch Anhaltspunkte haben, auf die Belange der übrigen Schuldner Rücksicht nehmen zu müssen.

Bei der kongruenten Deckung führt das Merkmal der Unangemessenheit zu einer Einschränkung. Nach der Neuregelung ist es nicht mehr ausreichend, dass beide Parteien über Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit verfügen. Vielmehr ist eine solche Deckung dann erst unangemessen, wenn sie trotz Eintritts der Zahlungsunfähigkeit gewährt wird.

Gleichzeitig soll das Merkmal einige Situationen von der Vorsatzanfechtung ausnehmen. So soll eine Vorsatzanfechtung ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung des Unternehmens oder die Sicherung seines Lebensunterhalts sicherstellt. Gleiches gilt für ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners.
Im Prozess obliegt es dem Insolvenzverwalter zu beweisen, dass solche nicht vorliegen.

Eine wichtige Neuerung erhält zudem Abs. 2. Nach der Neuregelung sollen lediglich Deckungshandlungen der letzten vier, anstatt vorher zehn, Jahre der Vorsatzanfechtung unterliegen.

Zuletzt soll in § 133 Abs. 1 S. 3 InsO-E die vermutete Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz abgeschwächt werden. Die Vermutung soll nun an die Kenntnis der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners anknüpfen. Die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit reicht nicht aus. Weiterhin enthält § 133 Abs. 3 S. 2 InsO-E eine Klarstellung bezüglich der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des anderen Teils. Diese Kenntnis kann nun nicht allein daraus abgeleitet werden, dass mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung (§ 802b II 1 ZPO) in Form einer Ratenzahlung oder Zahlungsfrist vereinbart wurde. Gleiches gilt, wenn der Schuldner, eine im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, Zahlungserleichterung erbeten hat.

Im Rahmen der Arbeitsentgeltzahlung enthält § 142 S. 3 InsO-E. eine Klarstellung. Der Norm folgend, soll eine Anfechtbarkeit der Arbeitsentgeltzahlung ausgeschlossen sein, wenn zwischen dem Beginn der Arbeitsleistung und der Zahlung des Arbeitsentgelts nicht mehr als drei Monate liegen. Zahlungen innerhalb dieser Zeitspanne sind von der Vorsatzanfechtung ausgenommen.

Zum Schluss soll § 133 Abs. 1 S. 2 InsO-E. in Verbindung mit § 130 Abs. 1 InsO zum Ausdruck bringen, dass ein vollstreckender Gläubiger, der einen Vollstreckungsbescheid auf Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens erhalten hat, lediglich dann mit einer Inkongruenzanfechtung rechnen muss, wenn er bei der Vollstreckung über Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Ansonsten wird das Bemühen des Gläubigers belohnt.

Alles in allem bleibt abzuwarten, wie die Neuregelungen von der Rechtspraxis aufgenommen werden und wie sie sich in Alltag und Handhabung bewähren.

Lesen Sie hierzu den vollständigen Referentenentwurf.