Im Juni 2014 hat die Credendo Group ihre Länderstudie zu Tunesien veröffentlicht.

Der Kreditversicherer berichtet, dass es dem Land Anfang 2014 gelungen ist, die im vergangenen Jahr immer grösser werdenden politischen Spannungen durch die Verabschiedung einer neuen Verfassung und die Vereidigung einer neuen Übergangsregierung zu verringern. Diese Regierung wird das Land bis zu den nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Ende 2014 regieren.

Die Revolution in 2011 und die anschliessenden politischen Änderungen haben das politische Risiko wesentlich beeinflusst. Dank der soliden makroökonomischen Rahmenbedingungen vor der Revolution hatten diese Entwicklungen aber kaum Auswirkungen auf die politische Risikobeurteilung. Ein steigendes Leistungsbilanzdefizit und geringere ausländische Direktinvestitionen beeinflussten zwar die Liquidität und Auslandsverschuldung des Landes, aber das Niveau ist noch beherrschbar. Ebenfalls wurde mit dem internationalen Währungsfond ein Abkommen über einen Stand-by-Kredit vereinbart. Der Finanzbedarf ist somit gedeckt.

Das Geschäftsumfeld, in welchen tunesische Unternehmen sich bewegen, wird durch die politische Unsicherheit, eine unter dem Potential liegende Wachstumsrate sowie eine Verlangsamung des Kreditwachstums negativ beeinflusst.

Politische Stabilität, die spätestens zu den kommenden Wahlen erwartet wird, sollte das Vertrauen in das Land wieder herstellen und sich positiv auf die finanzielle und politische Situation auswirken. Die Aufgaben, welche auf die neue Regierung zukommen, sind gross. Die Verringerung der Haushalts- und Zahlungsbilanzdefizite, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, Wachstum und die Verbesserung der Sicherheitslage stehen dabei ganz oben auf der Agenda.

Nach Überwindung der Rezession in 2011 erholte sich die Wirtschaft in 2012, in 2013 schwächte das BIP-Wachstum aber wieder auf 2,6% ab. Zum Vergleich: in den Jahren 2000 – 2010 lag das durchschnittliche BIP-Wachstum bei 4,4%. Zur Wachstumsschwäche beigetragen haben die schlechten Ernten, die Produktionsausfälle im Bergbausektor, der Einbruch staatlicher Investitionen sowie die Rezession in der Euro-Zone, der wichtigste Absatzmarkt des Landes.

Die Credendo Group erwartet aber nun für 2014 eine Beschleunigung des Wachstumes. Investoren und Touristen werden dann wieder Vertrauen fassen, so denn auch die Sicherheitslange verbessert wird. Ebenfalls erwartet der Kreditversicherer das Erreichen des Durchschnittsniveaus beim Wirtschaftswachstum – allerdings erst frühestens ca. 2016. Fraglich bleibt, ob dieses Wachstum ausreichend ist, den Arbeitsmarkt wieder in den Griff zu bekommen. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote bei 15%, bei Akademikern sogar über 30%. Die hohe Arbeitslosigkeit bedroht nach wie vor die Sicherheit und die politische Stabilität des Landes, kombiniert mit der nach wie vor hohen sozialen Ungerechtigkeit.

Neben der hohen Arbeitslosigkeit ist die Inflation eine weitere Ursache der Bevölkerungsunzufriedenheit. Mit 6% in 2013 bewegt sie sich nach wie vor auf hohem Niveau.

Aufgrund höherer Importe erhöhte sich das Leistungsbilanzdefizit des Landes auf über 8% des BIP in 2013. Nach wie vor geringe Erlöse im Tourismusbereich stehen gestiegenen Importen nach Nahrungsmitteln und Energie gegenüber.

Eine Verbesserung der Leistungsbilanz wir aber in diesem Jahr erwartet. Die verbesserte Situation im Euroraum wird der Nachfrage nach tunesischen Produkten Impulse verleihen. Gleichzeitig erwartet die Credendo Group eine Verbesserung der Einnahmen im Tourismussektor.

Die Staatsausgaben erhöhten sich ebenfalls von 2010 bis 2013 um 50%. Lohnerhöhungen für Staatsangestellte sowie gestiegene Transferzahlungen und Subventionen für Nahrungsmittel und Energie sind die Hauptgründe dafür. Die Lohnerhöhungen, welche aus Forderungen während der Revolution resultierten, mussten allerdings eingefroren werden, da, trotz gestiegener Steuereinnahmen, das Haushaltsdefizit zunimmt.

Ein weiterer Grund für den Anstieg des Haushaltsdefizites ist die Rekapitalisierung der Banken. Hierfür hat der Staat Tunesien Zuschüsse in Höhe von 1,2% des BIP budgetiert. Ob diese ausreichen, ist fraglich.

Die Liquiditäts- und Finanzlage Tunesiens hat sich, aufgrund steigender Leistungsbilanzdefizite und schwachen ausländischen Direktinvestitionen, zunehmend verschlechtert. Die Devisenreserven sind knapp und deckten im vergangenen März lediglich 3 Monatsimporte (vor der Revolution 4,2 Monate). Dank einer Einlage i. H. v. 500 Mio. USD der Qatar National Bank – die zum Teil dem Staatsfonds von Katar gehört – wäre die Importdeckung unter die 3-Monats-Marke gerutscht.

Die Schulden des Landes sind auch gestiegen. Bis Ende dieses Jahres wird eine Quote von 58% des BIP erwartet. Das Niveau ist dennoch tragbar. Neben dem im Juni 2013 mit dem IWF getroffenen Stand-by-Abkommen erhält das Land darüber hinaus Hilfen aus bilateralen und multilateralen Partnerschaften. Da mehr als die Hälfte der Auslandsverbindlichkeiten gegenüber staatlichen Kreditgebern bestehen, sind die Zinsen niedrig und der Schuldendienst kann gut geleistet werden.

Lesen Sie hier die komplette Studie des Kreditversicherers